Die Erforschungsgeschichte der österreichischen Groß-Branchiopoden (O. Anostraca, Notostraca, Spinicaudata, Laevicaudata) ist von zeitlich und räumlich großen Lücken gekennzeichnet:
- 1821. Nach einem heftigen Gewitter sind die Lehmstraßen der Wiener Vorstadt von Regenpfützen bedeckt. Schon nach wenigen Tagen tummeln sich in diesen Pfützen „seltsame Thiere“, die anscheinend vom Himmel gefallen waren. Der Wiener Zoologe Vinzenz Kollar (1797-1860) untersuchte die Tiere und stellte fest, dass es sich nicht um Außerirdische, sondern um den Kiemenfuß Triops cancriformis handelte, dessen Eier die Jahrzehnte im Lehm der Straßen unbeschadet überlebt hatten. Dies ist die älteste bekannte Erwähnung von Urzeitkrebsen in Österreich.
- 1873. In Schmelzwasserpfützen der Parndorfer Platte (Burgenland) findet der Custos des Zoologischen Hofcabinets, Georg Ritter von Frauenfeld (1805-1873), mehrere ihm zum Teil unbekannte Urzeitkrebsarten. Der spätere Zoologieprofessor Friedrich Brauer (1832-1904) war begeistert von diesem Fundort und beschrieb eine bis dahin unbekannte Feenkrebsart nach dem nahe gelegenen Römerlager Carnuntum: Chirocephalus carnuntanus ist die bisher einzige in Österreich erstbeschriebene Urzeitkrebs-Art.
- 1909. Schon im Alter von sechs Jahren wird der spätere Nobelpreisträger Konrad Lorenz (1903-1989) von einer Begegnung mit den damals so genannten „Blattfußkrebsen“ fürs Leben geprägt: „Dieses frühe Erlebnis hat sicher bestimmend auf meine Berufswahl gewirkt„.
- 1955. Der Hauptschullehrer Josef Vornatscher (1898-1984) widmet sich intensiv der Bestandsaufnahme von Kleinkrebsen. 1968 fasst er die Verbreitungsdaten, die er in mühevoller Kleinarbeit erhoben hatte, im Catalogus Faunae Austriae zusammen.
- 1964. Der Limnologieprofessor am Institut für Zoologie der Univ. Wien, Heinz Löffler (1927–2006), erkennt den Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Urzeitkrebsen und den Zugrouten von Watvögeln, in deren Mägen die Eier der Krebse voll schlupffähig bleiben und über weite Strecken verbreitet werden.
- 1974. Sein Student, der spätere Professor an der Universität für Bodenkultur, Mathias Jungwirth, schreibt die Dissertation über die Populationsdynamik von Branchinecta im Seewinkel (Burgenland).
- 1980. Von Josef Vornatscher und Univ.-Prof. Ferdinand Starmühlner (1927-2006) auf die Urzeitkrebsvorkommen an der March aufmerksam gemacht, beginnt der spätere Zoologieprofessor Walter Hödl, regelmäßige Exkursionen in die March-Auen zu veranstalten. Zwei seiner Studenten, Wolfgang Jahn (1957-1984) und Wilhelm Linder, schreiben ihre Diplomarbeit über die Larvalentwicklung von Urzeitkrebsen.
- 1982. Auf Anregung seines Studenten Wolfgang Jahn beantragt Walter Hödl die Unterschutzstellung der „Tümpelwiese beim Pulverturm“ in Marchegg, Österreichs einzigem Vorkommen von Chirocephalus shadini. Der Pulverturm ist damit das weltweit erste Schutzgebiet für Urzeitkrebse.
- 1993. Heinz Löffler veröffentlicht einen Überblick der aktuellen Urzeitkrebsvorkommen in Österreich. Acht der 16 in Österreich nachgewiesenen Arten gelten zu diesem Zeitpunkt als verschollen. Im gleichen Jahr publizieren Walter Hödl und die Gymnasiallehrerin Eva Rieder die Broschüre „Urzeitkrebse an der March“.
- 1994. Auf Anregung von Walter Hödl beginnt Erich Eder mit seiner Dissertation über Verbreitung und Entwicklung heimischer Groß-Branchiopoden und beginnt, eine umfangreiche Website über Urzeitkrebse zu erstellen. Sieben der acht als verschollen geltenden Arten werden wiederentdeckt, darunter der seit 1879 verschollene Muschelschaler Eoleptestheria ticinensis.
- 1996. Am OÖ. Landesmuseum gestaltet Erich Eder eine Ausstellung über Urzeitkrebse und gibt gemeinsam mit Walter Hödl das Buch „Urzeitkrebse Österreichs“ heraus, das innerhalb eines Jahres vergriffen ist. Gleichzeitig wird auf seinen Antrag hin Österreichs bedeutendstes Urzeitkrebs-Vorkommen, die „Blumengang-Senke“, unter Naturschutz gestellt.
- 2003. Fünfunddreißig Jahre nach der letzten Ausgabe des „Catalogus“ publizieren Erich Eder und Walter Hödl eine Neuauflage der Verbreitung der österreichischen Groß-Branchiopoden im „Catalogus Novus Faunae Austriae„.
- 2014. Seit den letzten systematischen Bestandsaufnahmen sind nun zwanzig Jahre vergangen. Am 12.Februar wurde die „Arbeitsgemeinschaft Urzeitkrebse Österreichs“ gegründet, um sich auch weiterhin für Erforschung und Schutz der heimischen Groß-Branchiopoden einzusetzen. Unser Ziel ist es unter anderem, flächendeckende Informationen zur Verbreitung der Urzeitkrebse zusammenzustellen und eine vollständig überarbeitete Neuauflage des Buches „Urzeitkrebse Österreichs“ herauszugeben.